Test: Wolfenstein – Youngblood

Ubisoft hat es vorgemacht, Bethesda ist nachgezogen und Entwickler MachineGames möchte nun in eine adäquate Kerbe schlagen: Die Entwicklung einer Singleplayer-fokussierten Shooter-Reihe hin zum kooperativen Mehrspieler-Abenteuer! Extrovertierte Shooter-Veteranen durften so 2018 erstmals die offene Spielewelt von Far Cry kollektiv erkunden, während Fallout 76 gleich im vergangenen Herbst auf eine kooperative und zugleich kompetitive Massenschlacht setzte. Mit Wolfenstein: Youngblood wagt sich nun auch Entwickler MachineGames in Zusammenarbeit mit den Arkane Studios auf das begehrte Koop-Pflaster. Seit dem 26. Juli ist der “Twin”-Shooter für PC, PlayStation 4, Xbox One als auch Nintendo Switch erhältlich. Ob Wolfenstein: Youngblood ein ähnlich halbherziges Konzept wie seine Genre-Veteranen verfolgt oder das Koop-Feature auch die eingeschworene Solo-Fangemeinde nachhaltig zu überzeugen weiß, klären wir in unserer Review.

Born to Kill Nazis

Wir schreiben mittlerweile das Jahr 1980. 19 Jahre nach den Ereignissen aus Wolfenstein II: The New Colossus finden wir uns im Regime-besetzten Paris wieder. Anstatt aber ein weiteres Mal in die Haut von Protagonist B.J. Blazkowicz zu schlüpfen, dürft ihr dieses Mal die Kontrolle über die beiden Zwillingstöchter des exzessiven Geheimagent, Jess und Soph, übernehmen. Dank ihrer jahrelangen Ausbildung bei ihrem heroischen Familienoberhaupt, treten die beiden jedoch nicht völlig unvorbereitet in den Kampf gegen die deutschen Streitkräfte. Diese haben allem Anschein nach ihre Finger beim Verschwinden von B.J. im Spiel, was euch zu eurem nächsten Ziel führt: Euren Vater finden!

Entwickler MachineGames tritt zunächst recht ambitioniert an die Inszenierung des Koop-Spin-Offs heran. Die erste Spielstunde wartet so mit affektiveren, leichtherzigeren und intimeren Szenen auf, die eine notwendige Tiefe auf die Protagonistinnen wirft. In Kombination mit den bekannt-parodistischen Spitzen des Franchise, öffnet sich bereits zu Beginn ein dualistisches, disparates Spielfeld an narrativem Potential. Leider wird die Prämisse nicht stringent durch das Abenteuer realisiert. So entsteht im Verlauf der Kampagne ein starkes Gefälle zwischen der Cutscenes-Quantität, die das konträre Prinzip vorrangig getragen haben. Wer nach dem starken Einstieg glaubt, fortführend eine Story-fokussierte Kampagne vorgesetzt zu bekommen, dürfte im Verlauf enttäuscht werden. Die ausgeprägte Harmonie zwischen den beiden Geschwistern und ihr herrlich-formloses Naturell nivellieren die fehlenden Story-Stränge allerdings in angemessenem Maße.

Immer wieder präsentiert sich Wolfenstein: Youngblood in einem gewollt trashigen 80er-Gewand, das nicht nur mit dem Tonus der Vorgänger harmonisiert, sondern vor allem den Zeitgeist der Stranger-Things- und The-Guardians-of-The-Galaxy-Generation aufgreift. So tönen kontinuierlich schrille, elektronische Synthie-Sounds durch die Levelabschnitte während kitschig-sympathische B-Movie-Oneliner den 80er-Charme abrunden.
Ein Erlebnis, das zumindest versucht die rückläufige Quantität an erzählerischem Output zu relativieren.

Alleine ist einer zu wenig

Das Fundament von Wolfenstein: Youngblood thront auf einem stringenten Koop-Feature, dass es euch ermöglicht ab sofort zu zweit in den Kampf gegen das Regime zu treten. Wer dennoch vollkommen Solo durch das besetzte Paris ziehen möchte, kann sich ebenfalls eine KI-Kollegin an die Seite stellen. Die künstliche Intelligenz macht auf eurem Solo-Trip eine recht solide Figur, lässt allerdings den taktischen Tiefgang sowie die daraus resultierenden Motivationsschübe dank der fehlenden verbalen Koordination vermissen. So warten nicht nur explizit banale Koop-Manöver wie das kollektive Öffnen von Türen sowie Kisten auf euch, auch eure Gegner verlangen euch zusätzlich ein gewisses strategisches Vermögen ab. Folglich seid ihr immer wieder darauf angewiesen Gegner abzulenken, euch hinterrücks anzuschleichen oder den taktischen Rückzug zu präferieren. Wer der verbalen Kommunikation allerdings mächtig ist, sich nicht gedankenlose ins Getümmel wirft und hinlänglich Sidequests absolviert, sollte im Spielverlauf keinerlei Probleme mit dem bekannt-ehrgeizigen Schwierigkeitsgrad haben. Ein besonderes Schmankerl hat Publisher Bethesda ebenfalls noch in Petto: Käufer der Wolfenstein: Youngblood Deluxe Edition dürfen dank des integrierten Buddy Pass einen Koop-Kumpel ohne weitere Zusatzkosten konsultieren.

Und hier wären auch schon bei der einvernehmlichen Krux von Wolfenstein Youngblood: das repetitive, lethargische Spieldesign! Statt einzelner schlauchartiger Umgebungsabfolgen, werdet ihr euch im Spin-off nun innerhalb größerer, kohärenter Areale autark bewegen können. Optisch bieten die Straßen von Paris, seine räumliche Inneausstattung inbegriffen, allerdings wenig Abwechslung, was dank der starken Backtracking-Philosophie zunehmend intensiviert wird. Nebenmissionen bleiben in Youngblood nämlich fortwährend eine zwingende Notwendigkeit, um mit den abstrusen Gegnergruppen mithalten zu können. Der Questaufbau fokussiert sich dabei durchgängig auf triviale, stereotypische Banalitäten ganz nach dem Motto: “Finde X oder Töte Y” und sendet euch immer wieder durch bereits bekannte Levelabschnitte. Die eklatante Streckung der Spielzeit samt ihrer uninspirierten Strukturen realisiert dabei die maßgebliche Komplikation hinter MachineGames neustem Projekt. Das gleichförmigen Gesamtkonzept schwächelt auf Dauer in seiner Motivationskraft.

Zwei ist keiner zu viel

Das Gunplay von Wolfenstein: Youngblood überzeugt hingegen mit einer mehr als annehmbaren dynamischen Realisierung. Die Waffen fühlen sich wuchtig genug an, um die repetitiven Abfolgen zumindest temporär zu überlagern. Zudem glänzt Youngblood mit trivialen Stealth-Mechaniken, die spielerisch für Abwechslung sorgen und euch eine alternative Herausforderung durch die bekannten Levelstrukturen eröffnet. Ein zwar geringen aber dennoch nicht zu missachtenden Anteil an der Gesamtspielzeit nehmen ebenfalls die First-Person-Platforming-Passagen ein. So werdet ihr ab und an gezwungen euch akkurat von Ebene zu Ebene zu bewegen, um bestimmte Zielpunkte zu erreichen. Das funktioniert recht intuitiv, vor allem da das Spiel alle Register zieht, um euch trotz der nachteiligen Perspektive zu unterstützen.

Spielerisch bleibt Youngblood natürlich dem typischen Wolfenstein-Oldschool-Charme treu. So regeneriert sich eure Lebensanzeige nicht gänzlich autonom, sondern verlangt nach diversen Health-Items, die in der Spielwelt verteilt zu finden sind. Zu zweit greift ihr zudem auf insgesamt drei Leben zurück, sind diese aufgebraucht heißt es für euch Level-Neustart! Ein Konzept, dass euch vor allem zur kollektiven Achtsamkeit forciert. Wolfenstein: Youngblood fordert nämlich einiges mehr von euch als unkoordinierte Alleingänge, triviales “Rumballern” führt im Koop-Shooter nicht selten zum Game Over!

Einen differenten Ansporn gewährt euch das kollektive Abenteuer im Übrigen durch das integrierte Skillsystem. Mit zunehmendem Levelprogression erhaltet ihr diverse Skillpunkte, die euch Zugang zu neuen aktiven Fertigkeiten sowie passiven Boni gewähren. Diese spalten sich wiederum in drei recht überschaubaren Trees auf, die dank ihrer simplen Struktur den Spielfluss im Koop nur geringfügig stören dürften. Mitunter addieren sich hier recht traditionelle Elemente wie die Potenzierung von Lebens-, Rüstungs- oder Munitionswerten sowie diverse Spezialfähigkeiten zu einem vertretbaren Gesamtkonstrukt. Mittels Stampf- und Ramm-Attacken könnt ihr so zielgerichtet, brachiale Nahkampfangriffe ausführen, während sich bedächtigere Spieler auf Stealth-Fähigkeiten fokussieren dürfen, die den offensiven Part zusätzlich fundiert ergänzt. So ergibt sich eine recht flache aber nicht abzusprechende taktische Komponente, die vorrangig der kooperativen Intention assistiert.

Vor allem optisch macht Wolfenstein: Youngblood eine durchaus formidable Figur, die eigens durch die realitätsnahen Lichteffekte an Qualität gewinnen. Größere Bugs innerhalb des Spielgeschehens sind erfreulicherweise Mangelware. Über einzelne in der Luft deplazierte Waffen sowie minimale Framerate-Einbrüche kann am bei diesem gelungenen, technischen Grundgerüst allerdings hinwegsehen.

Fazit

Wolfenstein: Youngblood schafft es zumindest entgegen der Konkurrenz ein kohärentes, kooperatives Spielgefüge zu erschaffen, dass allerdings vor allem auf der motivationalen Ebene ins Straucheln gerät. Die anfängliche narrative Tiefgründigkeit gepaart mit den exzessiven, hyperbolischen Spitzen schaffen es weder erfolgreich die darauffolgende Story-Nachlässigkeit noch die fehlende Sympathie eines Wolfenstein zu nivellieren. Der gewohnt-angemessene Schwierigkeitsgrad sowie den dadurch erzwungen taktischen Maßstab können zumindest temporär über die repetitiven Strukturen und Banalitäten innerhalb des Questaufbaus hinwegtrösten. Währenddessen schaffen es sowohl das solide technische Grundgerüst als auch die optische Hingabe, samt Bethesdas attraktivem Buddy Pass-Angebot, Youngblood zumindest einen Teil der Daseinsberechtigung einzugestehen, die es so dringend benötigt. Was zurückbleibt ist ein kurzweilige Reise in die abstrusen Gefilde der parodistischen 80er Jahre, die dank einem hohen Maß an Gleichförmigkeit und einem inkonsequenten Narrativ schlussendlich immenses Potenzial verspielt.

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