Test: The Surge 2

Der nicht anhaltende Raubbau an unseren Planeten und die damit verbundenen Klimaveränderungen haben sich dermaßen zugespitzt, dass dies zu angespannten sozialen Verwerfungen und Konflikten führt. Es wird kaum bis nichts dafür getan, der Verschmutzung der Erde und der Zerstörung der Natur etwas entgegenzusetzen. Die Zerstörung des Planeten ist nicht mehr aufzuhalten. Jedwede natürlichen Wälder sind komplett abgerodet, alle Meere und Flüsse verseucht, die Atmosphäre wird stetig giftiger.

Dies ist die Welt von The Surge 2. Allerdings trifft diese Beschreibung der Welt, mit Bezug auf aktuelle Umweltprobleme, im Grunde auch auf unsere reale Welt zu. Die Story von The Surge 2 basiert auf diese gegenwärtigen realen Problemlagen. Auf Verhältnisse die nicht nur unsere Umwelt betreffen, welche wir mit unserem unnachgiebigen Konsumverhalten und unserer aggressiven Produktionsweise bedrohen, sondern auch die damit Verbundenen sozialen Spannungen, welche eine solche Dystopie, die in diesem Videospiel gezeichnet wird, doch sehr greifbar macht. Sogar ernsthaft gedacht werden kann, als mögliche Zukunft, sofern wir auf der Welt nicht das Steuer rumschlagen können, bevor alles gegen die Wand fährt. Ökosysteme halten nun einmal nicht alles aus und kapitalistisch orientierte Unternehmen, die Raubbau am Planeten betreiben, die Umwelt verschmutzen und ganze Nationen ausbeuten, beweisen mit diesem Firmenverhalten immer wieder, dass sie sich nicht selbstständig kontrollieren und regulieren können. Diese dystopische Hölle kann – gemessen an unseren heutigen Verhältnissen – sogar eine reale Zukunftsaussicht sein.

Das macht die Lore in diesem Spiel sehr interessant. Als ob die aufgezählten Probleme die Menschen nicht schon genug beschäftigen würden, hat sich zudem ein sogenannter Nanosturm entwickelt, der sich bedrohlich über der fiktiven Stadt Jericho aufbaut. Die Regierung stellt die gesamte Stadt unter Quarantäne. Durch eine große Mauer wird die Stadt vom restlichen Land abgeschnitten. Die Evakuierung und Absicherung wird vom Militär kontrolliert und organisiert. Das mächtigste Unternehmen der Welt von The Surge will aber alles wieder fixen. Jonah Guttenberg heißt der Visionär. Sein Unternehmen, die Firma CREO, hat es sich zum Ziel gesetzt diesen Verfall aufzuhalten und alles technisch Mögliche und wissenschaftlich Erfolgsversprechende aufzufahren was dafür notwendig ist.

Das Menschenbild dieser Firma allerdings ist ebenso fragwürdig wie die Methoden. Der Mensch wird dem technischen Fortschritt untergeordnet. Fortschritt wird über Effizienz definiert. Der menschliche Körper wird daher im Vergleich zu den technischen Innovationen als mangelhaft angesehen und ebenfalls, wie die eigenen Produkte, dem Optimierungswahn unterworfen. Die schwächlichen Körper werden so mit Exoskeletten und Implantaten verbessert, um übermenschliche Leistungsfähigkeiten zu erlangen. Der menschlich mögliche Standard ist nicht mehr ausreichend. Ganz zu schweigen von körperlichen Behinderungen. So wie der Held vom ersten The Surge, der bei der Firma CREO unterschrieb, um aus seinem Rollstuhl zu entkommen. Das Unternehmen versprach ihm mit einen solchen Exoskeletten wieder „normal“ laufen zu können.

Wo ihr im Vorgänger ausschließlich mit Warren die Welt erkunden und durchschnetzeln konntet, legt ihr im zweiten Teil gleich zu Beginn selbst fest wie eure Figur aussehen soll. Ihr könnt wie in jedem RPG frei wählen, zwischen Geschlecht, Haarfarbe und dergleichen. Was ihr allerdings nicht mehr auswählen könnt, ist die Art des Exosuit-Gestells bzw. Exoskelett. Im Vorgänger gab es die Wahl zwischen dem wendigen Lynx, oder dem tankigem Rhino-Exoskelett. Im Nachfolger fällt diese Wahl weg. Es gibt nur ein Exoskelett, welches komplett frei mit Rüstungsteilen bestückt werden kann. Unabhängig ob diese der schweren Rüstungsklasse, oder leichten angehören.

Einige Gegner tragen nun auch Schilde.

Der Kampf ist bei The Surge 2 eine Schippe zügiger als noch im Vorgänger. Alles geht etwas besser und auch flüssiger von der Hand. Das Grundkonzept bleibt jedoch das Selbe. Visiere die Trefferzonen der Gegner an, um so an die jeweiligen Rüstungsteile, oder Waffen zu kommen. Die Trefferzonen bestehen dabei aus den verschiedenen Gliedmaßen der Gegner. Die Zerstückelung ist jedoch kein bloßer Selbstzweck. Es folgt einer zwar kruden, aber offensichtlichen Logik. Um an die Waffe des Gegners zu kommen, schlag den Arm ab, in der die Waffe gehalten wird. Um an den Helm zu kommen, schlag den Kopf ab, etc..

Wie üblich verbraucht ihr nach jedem Schlag und jedem Ausweichmanöver Ausdauer.
Die Finisher-Animation, die ihr dann per Kopfdruck triggern müsst, werden euch angezeigt wenn ihr genügend Schaden an der gewissen Körperstelle gemacht habt und ihr ausreichend Energiereserven habt (erkennbar an der blauen Anzeige). Solange ihr Gegner finished, ohne eine Medibay aufzusuchen, treibt ihr dabei den Combozähler und damit die Beute-Ausschüttung in die Höhe. Materialen findet ihr zudem auch lose in der Spielwelt verstreut, oft aber gut versteckt. Kleiner Tipp: Haut auch die Dixies kaputt! Womöglich sind hier ein paar Ressourcen enthalten.

Die Medibay agiert wie auch im Vorgänger wieder als eine Art Bonfire (bekannt aus Dark Souls). Hier könnt ihr euren Metallschrott/Scrab einlagern, oder für Levelaufstiege ausgeben. Dabei könnt ihr eure Basiswerte (Leben, Energieauslastung und Ausdauer) aufwerten, oder aber mit den notwendigen Zusatzmaterialien, bestehend aus Armmodulen, Beinmodulen usw. auch eure Waffen aufleveln.

Allerdings gibt es auch eine Neuerung in der Kampfmechanik.  Ihr müsst nicht nur zum richtigen Zeitpunkt blocken, sondern den Block auch in die Richtung lenken, von wo der gegnerische Schlag zu erwarten ist. Entweder ihr lest die Schlagrichtung an den Gegner-Animationen ab, oder ihr nutzt das entsprechende Modul/Implantat, das euch die Richtung frühzeitig anzeigt.
In den meisten Fällen könnt ihr allerdings durch einen Dash in einer beliebigen Richtung ausweichen. Manchmal bleibt man allerdings beim hin und her dashen an Ecken hängen. Das kann schon einmal nerven. Kommt aber zum Glück selten vor.

Die Waffentypen sind recht vielseitig. Wobei ich persönlich am liebsten mit den schnelleren Waffen gespielt habe. Mir scheint, dass die großen, schweren Waffen im Verhältnis zur ihrer langsamen Geschwindigkeit und im Vergleich mit den schnellen Waffen nicht ausreichend Schaden gemacht haben. Die Combos mit den schnellen Waffentypen haben wie ein Presslufthammer dermaßen reingezimmert in der Comboabfolge, dass der geringe Grundschaden der schnellen Waffen kein Problem darstellt. Wenn erstmal ein Combo komplett sitzt, ist der Kampf schnell entschieden. Die großen Waffen fand ich da oft zu schwerfällig. Bei den großen, etwas langsameren Prügeln steigt die Wahrscheinlichkeit das meine Combo durch einen Gegenschlag unterbrochen wird, oder ich nicht schnell genug zuschlagen konnte um den finalen Schlag geben zu können. Vorteilhaft ist dabei aber, dass ich auch während einer laufenden Schlag-Animation bei Gefahr wegdashen kann.

Wenn der Doktor mit dem Skalpell ausrutscht…

Genau hier zeigt sich, das The Surge 2 einem den Spielstil nicht vorschreiben will. Wer auf schwere Hammer und Äxte steht, nur zu! Denn im Gegensatz zur oft üblichen RPG-Mechanik,
die Waffen bzw. Waffenklassen an Attribute wie Stärke, oder Geschicklichkeit zu binden, ist der Spieler hier vollkommen frei von derartigen Einschränkungen. Eine solche Begrenzungs- oder Malus-Mechanik gibt es hier nicht. Die Attribute die gelevelt werden können, beziehen sich nämlich weder auf die Waffen, noch auf die Rüstungen. Denn diese werden separat gelevelt. Jeder kann zu jeder Zeit mit allen Waffentypen und Rüstungstypen experimentieren und dann jeweils sein Lieblingsset hochleveln, ganz unabhängig von irgendwelchen Statusbegrenzungen und zusätzlich durch die Implantate seinen Spielstil einen weiteren Feinschliff verpassen.

Insbesondere die Heilungsimplante sind dabei hilfreich. Für Treffer am Gegner bekommst du Energie, wenn mindestens ein Energiebalken aufgeladen ist, kannst du etwas HP wieder herstellen. Und das sogar mitten im Kampf. Es gibt dabei ganz unterschiedliche Implantat Variationen. Neben dem anfangs schon erwähnten Implantat, welches die Schlagrichtung des Gegners anzeigt,  gibt es beispielsweise auch Energie-Booster Implantate, die dir zusätzliche Energie bei jedem Treffer geben. Oder Implantate, die deinen Schaden gegen bestimmte Feinde erhöhen. Abhängig wie groß dein Energieleiste und welches Level du bist, kannst du mehrere Implantate anlegen und frei kombinieren. Die Anzahl der anlegbaren Implantate erhöht sich mit jedem Level. Durch das entsprechende Heilungsimplantat ist Heilung zwar mitten im Kampf möglich. Das macht die Kämpfe aber nicht zu einfach. Es macht sie sogar hektischer. Aber genau diese Hektik im Kampf funktioniert so gut, dass erstaunlicher Weise niemals die Übersicht verloren geht und es letztlich unglaublich Spaß macht in diese gewisse Kampf-Konzentration, den sogenannten Flow zu kommen.

Die Bosse sind im Vergleich zum Vorgänger nicht mehr so imposant. Mit dem Design und den Kampftaktiken des zweiten Boss (Little Jonny) stiegen meine Erwartungen für die folgenden Bosse. Bis auf seltene Ausnahmen konnten diese Erwartungen nicht mehr erreicht werden. Zu oft stand ich einfach einen normalen, wenig bedrohlich wirkenden menschlichen Gegner gegenüber.

Auch negativ aufgefallen ist mir die Benutzung der Drohne. Diese funktioniert zwar mit den passenden Gadgets als Türöffner ganz gut. Im Kampf aber habe ich diese meistens ignoriert. Es gibt zu wenige Situationen im Spiel, die die Drohne als Kampfunterstützung wirklich nützlich machen. Bei einigen Bossen, oder bei nervigen Fernkampfgegnern, die auf erhöhten Positionen stehen kann die Drohne zwar hilfreich sein, aber diese Situationen sind zum einen selten und zum anderen auch immer ohne Drohne lösbar.

Strahler und Lampen sind in The Surge 2 so zahlreich wie umherfliegende Gliedmaßen.

Die Spielwelt ist sehr verwinkelt und einzelne Gebietsabschnitte über unterschiedliche Zugänge miteinander verbunden. Durch bestimmte Gadgets – beispielsweise einen Hack für Seilbahnen – lassen sich im Zuge des weiteren Spielverlaufs wie im Stile eines Metroidvanias praktische Shortcuts, oder zuvor nicht erreichbare Gebiete freischalten. Das motiviert.

Der Multiplayer ist nicht wirklich vorhanden. Hier wurde sich auch an Spiele wie Dark Souls orientiert. Spieler können in der Spielwelt Hinweise für andere Spieler hinterlassen, in Form von Graffitis. Diese Graffiti – die eher das Aussehen eines an der Wand schwebenden Hologramms haben – gingen mir im Laufe des Spieles doch etwas auf den Zeiger. Das Design der Hinweise ist meines Erachtens nicht wirklich gelungen. Die Hälfte des Spiels verwechselte ich diese Graffiti-Hologramme oft mit irgendwelchen Aktivierungsschaltern für Türen, Tore, oder Fahrstühlen. Wenn in einigen Gebieten dann auch noch alles voll mit diesen Symbolen ist, leidet die Spielimmersion immens darunter. Wenn man selbst aufmerksam durch die Spielwelt gehen und jeden Winkel untersuchen will, wirken diese Symbole eher wie ein Fremdkörper im Spiel. Ein gutes Multiplayer Element ist allerdings, dass die normalen Gegner auch als besondere Gegner auftauchen können, die zuvor an dieser Stelle der Spielwelt einen anderen Spieler, in dessen eigenen Spielwelt, besiegt haben. Diese sind dann etwas stärker, lassen etwas mehr Loot fallen und sind mit einen roten Totenkopf gekennzeichnet.

NPC‘s agieren in dem Spiel extrem eindimensional und haben nie mehr zu sagen als zwei bis drei inhaltliche Sätze. Insbesondere die NPC’s die euch kleine Nebenquests anbieten, agieren eher als Einrichtungsgegenstand, als das diese ernsthaft zur Story beiragen würden. Geschweige denn glaubwürdig erscheinen. Ein großen Teil der Spielstory wird über gefundene Audiologs vermittelt. Bioshock lässt grüßen. Ich persönlich habe dabei allerdings nicht aufmerksam zugehört. Der Story-Verlauf im Spiel ist im Generellen eher so eine Art Beiwerk. Wohlwollend würde ich die konkrete Spielstory als zweckdienlich bezeichnen. Gemessen an der soliden Grundstory und dem Worldbuildung von The Surge und The Surge 2, verkommt der Spielplot zu einer Schnitzeljagd nach blau blinkenden Nano-Anomalien. Ernsthafte Spannung kann nicht entfalten werden.
In vereinzelte Situation kannst du mit NPC’s jedoch auch auf eine herrlich bescheuerte Art interagieren.

Dööp, dööp. dööp, de-de-döp-döp-döp!

Designtechnisch ist alles etwas over the Top und reiht sich ein, in die momentan gehypte farbüberfrachtete Dystopie-Darstellung wie Rage 2 und Far Cry New Dawn. Alles ist etwas greller und bunter, als üblich. Dabei hält The Surge 2 bezogen auf die vorherigen Beispiele allerdings noch ein gewisses Maß. Farbintensive Lichter und grelle Blendeffekte füllen insbesondere bei Bosskämpfen den Bildschirm. Das ist bisweilen zwar schön anzusehen, kann aber auch manchmal doch etwas irritieren.

Fazit

Insgesamt ist The Surge 2 ein gelungener Nachfolger, der nicht bloß die üblichen Souls-Mechaniken neu interpretiert, sondern komplett eigenen Gameplaymechaniken ausgebaut hat und diese in den Vordergrund stellt. Es spielt sich flotter und flüssiger als der Vorgänger. Das Kampfsystem ist einfach gelungen und macht mit den wunderbar animierten Finishermoves enorm Spaß. Einzig das wenig imposante Design der Bosse und somit auch die Bosskämpfe bleiben hinter denen des Vorgängers zurück. Die Grundstory des Spiels ist überaus interessant und hat sogar Züge einer Gesellschaftskritik. Allerdings verkommt der Spielplot schnell zu einer drögen Schnitzeljagd. Das tut allerdings der Motivation die interessante Welt zu erkunden, geilen Loot zu finden und aufzuleveln, keinen Abbruch.

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