Aus alt mach neu – ein Konzept, das eine Vielzahl an Publishern und Entwicklern 2020 bislang recht stringent verfolgten. Der Trend zum Remake blüht in der Spielebranche allerdings nicht erst mit dem laufenden Jahr klammheimlich auf, wenngleich in der frühen Vergangenheit eine überaus beträchtliche Anzahl an Neuauflagen und Neuinterpretationen vergangener Klassiker zu einem Comeback genötigt wurden. Nicht nur Remakes großer AAA-Giganten wie Resident Evil 3 und das inkomplette Final Fantasy 7 lockerten die ausgansbeschränkten Monate deutlich auf, auch kleinformatigen Highlights durften ihre Rückkehr auf die Fernsehbildschirme der Spielerschaft zelebrieren. So zeigte die Crysis-Neuauflage erst kürzlich, dass ein technischer (Zeit-)Sprung selbst für Grafik-Legende Crytek keine Selbstverständlichkeit ist, während Kingdoms of Amalur endlich die Aufmerksamkeit bekam, die es verdiente. Studio Hangar 13 setzen in diesem Herbst ebenfalls alles daran auf den risikoreichen Remake-Zug aufzuspringen, indem man das in die Jahre gekommene Action-Adventure Mafia von Grund auf restaurierte. Im Rahmen der Mafia Trilogie, die seit dem 24. September auf Xbox One, PC als auch PlayStation 4 zum Kauf bereit steht, veröffentlichte Publisher 2K Games nicht nur das Remake des Erstlings, auch die beiden Nachfolger erhielten eine optisch verbesserte Neuauflage mitsamt ihrer vollständigen DLC-Bibliothek. Ob Mafia in seiner Definitive Edition mehr ist als nur eine aufgewärmte Zwischenmahlzeit und warum man trotz der zugrundeliegenden Remake-Intention auch die alteingesessene Fangemeinde nicht zurücklässt, klären wir in unserer Review.
Statt aufgewärmter Kaffee das kulinarische Meisterwerk?
Geprägt von Korruption, Prohibition und finanzieller Unbeständigkeit entlässt uns die Definitive Edition in das von den 30ern geprägte Lost Heaven. In der Rolle vom noch unbefangenen Taxifahrer Tommy Angelo geraten wir unversehens zwischen die Fronten zweier Mafia-Familien, die es nun auf das virtuelle Leben des Protagonisten abgesehen haben. Mit der Unterstützung des Salieri-Clans schaffen wir es zwar lebend aus dem Konflikt, finden uns inzwischen aber inmitten eines gefährlichen Vohrerschaftskampf um Los Heaven wieder. Von den finanziellen Möglichkeiten der kriminellen Organisationen angezogen, entscheidet Tommy sich schlussendlich der Familie Salieri bei ihren Machenschaften beizuwohnen und statt des unbeholfenen Taxifahrers den skrupellosen Mafiosi zu mimen. Auch fast zwei Dekaden nach der Veröffentlichung des Originals, weiß die Handlung des Mafia-Epos mitsamt seiner dichten Atmosphäre und brachialen Inszenierung zu überzeugen. Entwickler Hangar 13 hat aber auch hier deutlich an den Stellschrauben gedreht und nicht zwangsläufig notwendiges aber durchaus begrüßendes Feintuning betrieben. Große Einschnitte innerhalb des prominenten Storygefüges müssen Veteranen des Originals im übrigen nicht befürchten – kleinere Anpassungen intensivieren das Narrativ aber dennoch sinnvoll. Vor allem Nebencharaktere wie Sarah, Paulie und Sam profitieren von einer minimalen Nachjustierung und der erhöhten Screentime. Mitsamt komplexerer Charakterstrukturen erschafft Hangar 13 weitestgehend mehr Tiefe, was nicht nur geringfügig zur Emotionalisierung des Ganzen beiträgt. In Kombination mit der aus gegenwärtiger Sicht recht klischeebehafteten Mafia-Schablone, wirkt das Storygefüge vereinzelt etwas zu gewollt und minimal überspitzt. Einen gravierende Verlust an Glaubwürdigkeit muss das actionreiche Spektakel aber dem ungeachtet nicht einbüßen. So tun die hochwertigen neuen Sprachaufnahmen und die mehr als passable Mimik der Protagonisten mitsamt ihres neuen, grafisch-modernen Fundamentes ihr übriges, um auch 2020 inszenatorisch noch auf hohem Niveau konkurrieren zu können.
Von “unfair” zu “spielbar”
Das spielerische Grundkonzept von Mafia wurde für die Definitive Edition hingegen noch einmal grundlegend aufgebohrt – ein notwendiger Schritt, wenn man bedenkt, dass das Action-Adventure bereits 18 Jahre auf dem Buckel hat und gameplaytechnisch erheblich an den modernen Bedürfnissen der nostalgiebrillenlosen Spielers scheitern würde. Wir erinnern uns: Mafia musste zu seiner Zeit vorrangig für den höchst “unfairen” Schwierigkeitsgrad Kritik einstecken. Dem äußerst fordernden Konzept von Erstentwickler Illusion Softworks hat Hangar 13 nun wider Erwarten nicht gänzlich den Riegel vorgeschoben – das amerikanische Studio arbeitet stattdessen mit einem vielschichtigen Kontingent an Optionen. Ein solider Kompromiss, der Neueinsteiger als auch die alteingesessene Fangemeinde abzuholen vermag. Wer eine ähnlich unnachgiebige Herausforderung sucht, wie einst im Original wird vom Mafia 3-Entwickler auf den eigens konzipierten ’klassischen Modus’ verwiesen. Hier dürft ihr mit der simulationslastigeren Fahrmechanik (ohne jegliche Lenkhilfen), einer erhöhten Polizeipräsenz sowie aggressiveren Gegnern Vorlieb nehmen, ganz wie im fordernden Original. Dank der individuell anpassbaren Optionen wird das Spieldesign um die notwendige Zugänglichkeit ergänzt, die nicht nur bei den weniger nostalgieverklärten Spielern zum Tragen kommen dürfte – denn immerhin ist jetzt auch die einst enorm anspruchsvolle Rennmission „Fairplay“ von 2002 ohne große Wutausbrüche abschließbar. Nicht nur Choleriker freut’s!
Der moderne Mafiosi
Das Remake glänzt erneut mit einem recht abwechslungsreichen aber sehr lineare Missionsgefüge, das von neuen Gameplay-Mechaniken gestützt wird. Der Fokus der Neuauflage liegt allerdings weniger im Spielgeschehen selbst als auf der zugrundeliegenden Geschichte, die beim Spieler für den größten Motivationsschub sorgen dürfte. Das wird spätestens dann klar, wenn man einen Blick auf die überarbeiteten aber dennoch höchst trivialen Gameplay-Elemente wirft. Bei dem Versuch das spielerische Konstrukt hinter Mafia in die Neuzeit zu hieven, macht man 2020 nun Gebrauch von einem leider recht unausgereiftem Deckungssystem. So ist es euch ab sofort zwar möglich von Deckung zu Deckung zu sprinten und dem generischen Feuerhagel so strategisch-sinnvoll zu umgehen, wirklich dynamisch fühlt sich das allerdings nie an. Hinzu kommen diverse Probleme, die euch daran hindern aus der Deckung hinaus euer Ziel gekonnt anzuvisieren. Oft ist diese Deckung nämlich selbst das größte Hindernis, auch wenn die Schussbahn objektiv gesehen eigentlich frei sein sollte. Das macht die Schussgefechte häufig zu einem hakligen Unterfangen, welches nicht selten mit einem unzufriedenen Bildschirmtod bestraft wird. Das defensive Spielsystem wirkt in seiner Umsetzung eher halbgar, sorgt dennoch flüchtig für eine taktische Komponente innerhalb des Spielgefüges, die das System teilweise zu rechtfertigen scheint und das altbekannte Gameplay vor allem aufzulockern vermag. Neben den actionreichen reinen Schussgefechten gibt man euch mit einer simplifizierten Stealth-Mechanik eine weiteren Option an die Hand, um eure Gegenspieler auszuschalten, was unabstreitbar einen gewissen Abwechslungsreichtum ins Spiel integriert. In einigen Missionen wird das stille Vorgehen sogar forciert, durch herausragende Komplexität besticht aber auch dieses Spielelement zu keinem Zeitpunkt. Die Gegner selbst stellen sich gerade in diesen Quests meist recht stupide an und wirken teils so als wenn sie nur darauf warten von euch hinterrücks umgebracht zu werden. Die KI selbst macht grundsätzlich eine solide Figur, glänzt nicht durch herausragende Performance, weiß euch aber auch temporär mal in die Bredouille zu bringen. Fordernd bleibt Mafia nämlich auch außerhalb des klassischen Modus – wenn auch nicht zuletzt dank des schwammigen Deckungssystems. Hinzu gesellt sich außerdem das recht rudimentäre Nahkampfsystem. Mit einer zwei (!) Button-Steuerung präsentiert sich auch dieses Spielelement mit einer eher schlichten und komplexlosen Aufmachung, die das Ganze leider etwas in der Belanglosigkeit verkommen lässt.
Das Auge isst mit
Lost Heaven erweckt hingegen einen deutlich besseren Gesamteindruck als es das limitiertere Spielsystem bislang zu tun vermag. Die digitale Schauplatz gleicht einer glaubwürdigen Nachbildung einer in den 30er-Jahren verlorenen Metropole. Dabei greift man die grundlegende Strukturen des 2002-Originals auf, befreit das altbekannte Stadtbild allerdings parallel von seinen altbackenen Limitierungen. So sind erstmals auch die ländlichen Areale bereits zum Spielstart frei zugänglich, während die Straßennetze um sinnvolle Seitenstraßen ergänzt und separierende Ladebildschirme, die vornehmlich den Spielfluss unterbrachen, wegrationalisiert wurden. Dennoch von einer gewissen Leere und Gehaltlosigkeit darf sich auch Lost Heaven nicht absprechen. Hangar 13 erschafft mit der offeneren Spielwelt schlichtweg keine Open-World im herkömmlichen Sinne – viel zu entdecken gibt es hier nämlich kaum. Indem man strikt vermeidet die bewährte GTA-Schablone notdürftig auf das Remake zu pressen, rechtfertigt man die Neuauflage gleichzeitig auf seine ganze eigene Weise und rückt abermals die kompakte Story vehement in den Fokus. Grafisch überzeugt Mafia Definitive Edition mit den realistischen Reflektionen, der akkuraten Mimik, plausiblen Weitsicht und der atmosphärischen Spielewelt kompromisslos. Technisch auf hohem Grundniveau, bringen kleinere Framerate-Einbrüche und aufploppende Texturen das gelungene Gesamtkonstrukt immer wieder temporär zum wanken. Zum größten Ärgernis werden diese Ausnahmesituationen dann, wenn sie ins Spielgeschehen eingreifen. So tauchten selbst auf der leistungsstarken Xbox One X immer wieder Bugs auf die verhindern, dass Missionen erfolgreich durchgeführt werden können. Dass ihr hier frühzeitig und vor allem unverdient den “Mission gescheitert”-Bildschirm zu sehen bekommt, ist nicht selten frustrierend.