2011 überzeugte das Entwicklerstudio id Software noch im Alleingang das verwöhnte Frist-Person-Shooter-Publikum mit der Shooter-Dystopie RAGE. Lediglich mit der finanziellen Unterstützung des US-amerikanischen Publishers Bethesda im Rücken und dem progressiven id-Ego-Shooter-Know-How entwickelte sich das Projekt mit den reduzierten Rennspiel-Elementen und der heruntergebrochenen, offenen Spielwelt zum soliden Action-Bombast. Um das ambitionierte Konzept hinter RAGE 2 mit einem stabilen Grundgerüst zu versehen, hat sich id Software nun Entwickler Avalanche Studios an die Seite gestellt. Während die US-amerikanische Spieleschmiede in Form von DOOM, Wolfenstein und Quake dem Genre Ego-Shooter in den vergangenen Jahrzehnten eine völlig neue Normative verlieh, entwickelte Avalanche zunächst das überspitzt-selbstironische Open-World-Konzept weiter. Eine Formel, die auf dem Papier für das Shooter-Sequel erst einmal aufzugehen scheint. Ob Theorie und Praxis sich schlussendlich aber als deckungsgleich erweisen und sich das ungleiche Duo bei den Arbeiten für den Wüsten-Shooter RAGE 2 sinnvoll ergänzt, erfahrt ihr in unserer Test:
How To: So verspielt man Potential!
Drei Jahrzehnte nach den Ereignissen in RAGE dürft ihr erneut in die dystopische Zukunftsvision von id Software eintauchen. Auch wenn das Ende des Erstling zunächst suggeriert, dass das gesetzlose Ödland rehabilitiert und damit die machthungrige Obrigkeit zurückgeschlagen wurde, wendet sich das Entwicklerduo direkt zu Beginn recht vorhersehbar gegen das Finale des Vorgänger-Titels. Die elitäre Militärfraktion scheint sich in den letzten Jahren erholt zu haben und mit General Cross in der Führungsriege für einen Gegenschlag anzusetzen. In der Haut von einer optional männlich oder weiblichen Version des Rangers „Walker“ dürft ihr euch der altbekannten Gefahr nun erneut in den Weg stellen.
Leider tritt Rage 2 in die narrativen Fußstapfen seines Vorgängers und scheitert somit erneut daran eine nachvollziehbare, affektive Hintergrundgeschichte aufzubauen. Die banale Argumentation und simple Struktur, die sich zu Beginn der Narrative auftut, trägt sich auch im Spielverlauf weiter. Questgeber geizen kaum mit notgedrungenen, belanglosen und folglich gekünstelten Rechtfertigungen, während Oberschurke Cross mehr Tiefgang verspricht als er es im Endeffekt halten kann. Der trashige Einschlag der Obrigkeit steht dem Spiel genauso gut zu Gesicht wie die überspitzt-abgedrehten Charakterzüge der Nebencharaktere oder die selbstironischen Anleihen der Story, voll ausschöpfen kann man das Potenzial aber bei weitem nicht. Ein Problem, das die Story konsequent auf ein bekanntes, emotionsloses Level hievt. Die in Ansätzen humorvollen Spitzen innerhalb der Geschichte, gepaart mit der Integration altbekannter, starker Seriencharaktere, lassen die Kampagne zumindest in Teilen aus ihrem Qualitätsloch ausbrechen und den Willen der Entwickler erkennen RAGE 2 zu etwas Größerem zu machen.
Das Shooterversum ist zurück
Unterhaltungssoftware aus dem Hause id sind ausnahmslos Garanten für ein ausgearbeitetes Gunplay. Auch bei RAGE 2 erfüllt sich erneut die etablierte Erwartungshaltung, schafft es aber konkomitierend dazu moderne Ansätze in das traditionelle Gefüge zu implementieren. Euer Waffenarsenal weiß analog zum getragenen Retro-Charme nicht unbedingt durch ihre Quantität zu überzeugen, weißt aber gerade deswegen eine unglaubliche spielerische Vielfalt auf, die vor allem mit modernen Einflüssen spielt. Die handelsübliche Shotgun hat den nötigen “Wumms”, das Sturmgewehr überzeugt mit einer wünschenswerten Schussrate samt Präzision, während der Raketenwerfer Flächen von Gegner artistisch dem Erdboden gleichmacht.
Ganz so traditionell bleibt euer Waffenarsenal auf Dauer dann aber auch nicht. Mittels eines Grav-Pfeilwerfers könnt ihr so beispielsweise Gegner aneinanderketten oder diese durch die Luft wirbeln lassen. Der Großteil euer Schießeisen weist neben der herkömmlichen Schusskraft zusätzliche Feuermodi auf, die ihnen in den actionreichen Gefechten zusätzliche Variabilität verleihen. Die KI macht hier eine weitestgehend solide Figur. Während Feinde sich beispielsweise bei Granatenangriffen direkt aus dem Detonationsradius wegbewegen, bleiben die typisch-taktischen Manöver größtenteils auf der Strecke. Eine Komponente, die den ohnehin schon sehr reduzierten Schwierigkeitsgrad nur noch großzügiger in die Karten spielt. Vor größeren Aussetzer ist aber auch die künstliche Intelligenz in RAGE 2 nicht gefeit, so bleiben Gegner ab und an unbeweglich in der Umgebung stehen oder laufen konstant gegen sichtbare mitunter auch unsichtbare Wände.
In RAGE 2 stehen euch abseits der Schießwummen weitere Fähigkeiten zur Verfügung, um euch gegen die zahlreichen Endzeit-Gegner zur Wehr zu setzen. Die sogenannten Nanotriten-Fähigkeiten bringen nicht nur eine defensive, taktische Komponente ins Spiel, sondern erweitern auch euer Angriffs-Arsenal auf äußert brachiale und partiell auch innovative Weise. Hier nutzt euer Alter Ego allem voran die Gravitation, um die Gegnerhorden aufzumischen. Anstatt nur punktuell zu arbeiten wird hier vorrangig Wert auf Flächenschaden gelegt, was die Schusswaffen-Grundlage angenehm erweitert und euch auch bei größeren Gegnermassen ansehnliche Kombos vom Zaun berechne lässt.
Der darauf thronende Overdrive-Modus, mit dem ihr sämtlichen, offensiven Schaden noch zusätzlich potenzieren könnt, komplettiert das actionreiche Grundgerüst und rundet die Komposition zwischen klassischem Retro-Charme und einem modernen Action-Bombast nahtlos ab.
Das Ödland überzeugt vor allem mit Ödnis
Leider hängt die dem zugrundeliegende, offene Spielwelt hinter dem id-Software Shooter-Standard weit zurück. Während die Areale optisch lediglich mit den Settings Wüste, Dschungel und Sumpf eher wenig Variabilität versprechen, glänzt die offene Welt aus dem spielerischen Blickwinkel ebenfalls nicht durch Dynamik und Lebendigkeit. Auf eurem Weg durch das dystopische Ödland werdet ihr am Wegesrand zwar immer wieder auf Feindesgruppen, Banditenlager oder Mutantennester treffen, große Überraschungen sind in Rage 2 abseits der Hauptquests allerdings nicht zu erwarten. Man geht in der Missionsgestaltung sogar noch einen Schritt weiter und liefert dem Spieler ausschließlich repetitive Sidequests al la Far Cry, die bekanntlich nicht durch ihre spielerische Diversität zu überzeugen wissen. Leider trifft dieses Schicksal in geringerem Ausmaß auch die Hauptquests, welche aber weniger gewollt als unfreiwillig einen Ansatz an Langzeitmotivation anbieten. Die fahrbaren Vehikel überzeugen in RAGE 2 zwar vorrangig durch ihre Vielfalt, auf Dauer verstärken die etlichen aufgezwungenen Spritztouren durch die reizlose Umgebung lediglich die zugrundeliegende Monotonie.
Umso bedauerlicher, dass RAGE 2 leider nur mit einer handvoll an Schnellreisepunkten aufwarten kann, was das uninspiriert und erzwungene Open-World-Konzept auf Dauer leider nur zu einem unausgereiften, störendem Beiwerk verkommen lässt und gleichzeitig den elaborierten Shooter-Part stark verwässert.
Federführend liefert euch die Individualisierung eurer Fähigkeiten, Waffen sowie eurer Charakter-Stats den größten Motivationsschub für das heruntergebrochene Open-World-Konzept. Das System hinter den diffusen Skill-Mechaniken gestaltet sich insgesamt recht unübersichtlich, was vor allem der Zugänglichkeit zu lasten fällt.
Etwaige Sammelgegenstände wollen so gefunden werden, die ihr dann wiederum den diversen Fertigkeiten oder Waffenoptimierungen zuordnen könnt.
Die digitale Preisgestaltung fällt zudem recht horrend aus, was die anfangs animierende Sammelwut in Kombination mit den repetitiven Nebenquests recht schnell monoton sowie gleichsam ermüdend gestaltet.
Technisch ist RAGE 2 zwar kein Totalausfall, fällt aber vor allem durch verspätet aufploppende Texturen sowie nachladende Elemente und eine verminderte Weitsicht negativ auf. Optisch macht der Shooter-Open-World-Hybrid dennoch eine solide Figur, die mit unterstützenden 60 FPS vor allem im spielerischen Bereich punkten kann. Eine angenehme Spielzeit von 10 bis 15 Spielstunden gepaart mit einem etwas zu simplen Schwierigkeitsgrad dürften auch, abseits der Vielspieler-Fraktion, Shooter-Fans an ihre Bildschirme fesseln.