Test: Disjunction

Das Zauberwort der letzten Monate lautet definitiv „Cyberpunk“. Ob im Zusammenhang mit einem der meisterwarteten Spiele des letzten Jahrzehnts oder als dystopisches Setting in einer Vielzahl von Spielen, das Genre ist derzeit in aller Munde. Auch Disjunction reiht sich in diesen Kanon ein.

Stealth-Game mit Gesellschaftskritik

Das Spiel beginnt in einer gar nicht so weit entfernten Zukunft im New York des Jahres 2048. Die Welt ist von wirtschaftlichen und klimabedingten Katastrophen gezeichnet, was auch an der einst blühenden Stadt nicht spurlos vorbeiging. Nach der Wirtschaftskrise der 2039er Jahre verloren viele Menschen ihre Lebensgrundlage und es bildete sich eine Parallelgesellschaft im Central Park, dem einstigen Herzen der Stadt. Central City begann einst als Zufluchtsort für all diejenigen, die alles verloren hatten, und hat sich zu einer autonomen Region entwickelt, in der kriminelle Gruppen immer mehr Einzug finden.
Die soziale Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter auseinander denn je. Auf der einen Seite blühen die Geschäfte globaler Unternehmen mit Monopolstellung, die in ihren Wolkenkratzern sitzen, kybernetische Implantate sind gang und gäbe für diejenigen, die es sich leisten können, und Sicherheitsroboter sollen Streife auf den Straßen der Stadt fahren. Auf der anderen Seite ist die Kleinkriminalität rasant gestiegen, der Klimawandel hat durch den Anstieg des Meeresspiegels zum Bau enormer Deich rund um die ganze Stadt geführt und die sozialen Spannungen beginnen sich immer mehr zu entladen.

Die Suche nach der Wahrheit

Ein perfektes Setting also für allerlei zwielichtige Machenschaften und Verschwörungen. Die Grenze zwischen Gut und Böse ist dabei an manchen Stellen fließend, aber zumindest muss der Spieler versuchen, Geheimnisse und Intrigen aufzudecken und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Angefangen mit dem Mord an einem Polizeibeamten durch den Anführer von Central City startet man als Privatermittler Frank seine Untersuchungen in der Unterwelt New Yorks.
Schnell führt die Geschichte zu vielfältigen Motiven in Form politischer Ränkespiele, technologischen Fortschritts und der ominösen Droge „Shard“ mit einer Vielzahl an Akteuren.

Neben dem Anfangscharakter Frank lernt der Spieler relativ schnell auch noch zwei weitere Charaktere kennen, „Lockjaw“ und Spider, mit denen man sich durch die verschiedenen Level, je nach Auftrag und Punkt in der Geschichte, bewegt. Alle drei bringen unterschiedliche Fähigkeiten und Upgrades sowie Hintergrundgeschichten mit, die es im Laufe des Spiels zu entdecken gibt. Dabei existieren diese auch nicht separat voneinander, sondern sind eingebunden in das Rahmensetting, das alle Geschichten miteinander verbindet.

Es gibt nur einen Weg, immer nach vorne

Das Spielprinzip ist relativ einfach gehalten und leicht zu verstehen. Jedes Level ist ähnlich aufgebaut und spielt sich im Grunde gleich. Erinnernd an Metal Gear Solid-Manier (damals… auf dem Gameboy) navigiert der Spieler seine Charaktere von Punkt A durch übersichtliche und wenig verwinkelte Maps nach Punkt B, bis man das findet, wonach man sucht. Auf dem Weg stehen einem jedoch vielfältige Hindernisse in Form von menschlichen oder künstlichen Gegnern sowie Kameras und Fallen im Weg, die es entweder ungesehen zu umgehen gilt oder die man auch alle einfach wegballern kann.

Jedem der Charaktere stehen dabei vier unterschiedliche passive und aktive Fähigkeiten zur Verfügung. Frank kann sich bspw. selbst heilen, während Joe sich mit einem Sprung vorwärts direkt neben dem Gegner bewegen kann. Fähigkeiten und Upgrades bleiben durchweg variabel und können vor jedem Level neu verteilt werden. Detaillierte Weiterentwicklungen existieren nicht.
Der Einsatz dieser Fähigkeiten hängt vom Energiebalken ab. Wenn der leer ist, lassen diese sich nicht mehr aktivieren. Aufgeladen werden kann der Balken, genauso wie Lebenspunkte und Munition für die Waffe, durch zufällig von Gegner hinterlassene Drops oder an festen Punkten in den Maps liegende Gegenstände.
So kann es schon einmal vorkommen, dass man alles verbraucht hat und gerade noch durch den letzten Raum mit vier patrouillierenden Wachen und zwei Kameras kommen muss.

Speicherpunkte gibt es nur an festgelegten Orten im Spiel, nach Betreten einer neuen Map und einmal pro Level. Das bedeutet, man wird viel Zeit damit verbringen, bestimmte Abschnitte mehrmals hintereinander durchzuspielen, bevor man geduldig alle Laufwege und überwachten Bereiche kennengelernt hat. Da die Grundrisse oftmals mehrere Zugänge zu Räumen erlauben, stehen dem Spieler verschiedene strategische Optionen offen, Gegner unschädlich zu machen oder sie zu umgehen.
Relevant sind dabei die Sichtbereiche, die nur im Schleichmodus sichtbar sind. Zum Glück sind Gegner taub und blind genug, um einen außerhalb dieser definierten Areale schleichend nicht zu entdecken. Doch sind sie auch schnell dabei, einem das Leben schwer zu machen, wenn der Charakter zu laute Geräusche macht (Laufen, Schießen) oder Körper (tot, bewusstlos) nicht schnell genug wegräumt.

Gnade oder keine Gnade – das ist hier die Frage

Eigene Entscheidungen im Spieldurchlauf bspw. in Gesprächen oder ob man bekannte Gesichter der Unterwelt tötet oder am Leben lässt, haben Einfluss auf den Fortgang und auch das Ende der Geschichte. So gibt es mehrere mögliche Enden, die es zu erspielen gibt, was den Wiederspielwert für geduldige Fans erhöht.
Eine Audioausgabe der Gespräche gibt es nicht, was bei den reduzierten und qualitativ hochwertigen Texten nicht weiter ins Gewicht fällt. Die eingesetzte elektronische Musik ist atmosphärisch auf die Umgebung und Geschichte abgestimmt. Positiv lassen sich auch die während Textsequenzen hervorgehobenen Schlüsselwörter werten, welche mit Infoboxen wertvolle Hintergrundkenntnisse zur Spielwelt bieten.

Fazit

Disjunction ist kein Spiel, das zum Erkunden einlädt. Geschichte und Wege sind klar vorgegeben, NPCs sind vor allem Mittel zum Zweck und Spieler alternieren zwischen Zuhause und Auftrag. Abwechslung bringen die Geschichten der verschiedenen Protagonisten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, und die (für viele vielleicht vorhersehbare) Entwicklung der Geschichte. Gerade in der heutigen Zeit treffen die gesellschaftskritischen Ansätze des Spiels einen Nerv. Die charmante Pixelgrafik und liebevoll gestalteten Umgebungen sowie die einfache Steuerung und Level, die einem selbst bei einer Niederlage das Gefühl geben, dass man es im nächsten Durchlauf bestimmt schafft, machen Disjunction zu einem kurzweiligen und fesselnden Vergnügen.

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